Wie stehen die Parteien zur Pluralen Ökonomik? – Unbeantwortete Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2025
Zur vorgezogenen Bundestagswahl haben wir den Parteien SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, AfD, Die Linke und BSW Fragen zu ihrer Einstellung gegenüber den Themen des Netzwerks Plurale Ökonomik gestellt. Leider beantworten die Parteien die Wahlprüfsteine nicht, weil dazu in der kurzen Wahlkampfphase zu wenig Zeit sei. Die Wahlprüfsteine vermitteln jedoch einen guten Eindruck vom Profil unseres Netzwerks. Wir stellen daher unsere Fragen an dieser Stelle vor.
Los geht es mit der Frage: Woher stammen eigentlich die wirtschaftspolitischen Ideen der Parteien? Vereinzelt ist in der öffentlichen Debatte von der „Lieblingsökonomin“ oder dem „Lieblingsökonomen“ einzelner Politiker*innen die Rede. Wir möchten es etwas genauer wissen und haben gefragt:
Welche externen Institutionen (Consulting-Firmen, Think Tanks, etc.) werden Sie bei der Gestaltung Ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik mit der Beratung beauftragen bzw. welche externen Beratungsangebote werden Sie annehmen? Was sind Ihre Auswahlkriterien für externe Berater*innen?
Neben externen Beratungsleistungen, die alle Parteien für sich in Anspruch nehmen können, beraten die Bundesministerien die Regierung bei ihrer Politik. Möchten die Parteien in ihrer Regierungsarbeit nur einige sich ähnelnde Stimmen hören oder ist in den wirtschaftswissenschaftlichen Beiräten der Ministerien ein breiter Diskurs erwünscht? Dazu sollen sich die Parteien in Frage 2 positionieren:
Möchten Sie sich dafür einsetzen, den Sachverständigenrat für Wirtschaft (die „Wirtschaftsweisen“) sowie die Beiräte einzelner Ministerien, insbesondere des Bundesfinanzministeriums und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, mit Ökonom*innen verschiedener Denkschulen zu besetzen? Wie begründen Sie Ihre Position?
Wir haben uns gefragt, ob Themen wie Postwachstum auch deshalb nicht von der Forschung in den wirtschaftspolitischen Diskurs getragen werden, weil die Politikberatung durch Ministerien von vornherein auf zu eng gefasste wirtschaftspolitische Ziele ausgerichtet ist. Die folgende Frage knüpft daher an die Politikberatung an, leitet aber zugleich schon zu den darauffolgenden Fragen nach dem wirtschaftspolitischen Verständnis der Parteien über:
Wie stehen Sie dazu, die Aufträge an Ihre wirtschaftswissenschaftlichen Beiräte offener zu gestalten? Beispielsweise beschränkt der aktuelle gesetzliche Auftrag der „Wirtschaftsweisen“ diese auf Kriterien wie „…stetige[s] und angemessene[s] Wachstum…“ (SachvRatG §2, S.2).
Wirtschaftswissenschaftliche Politikberatung muss zurzeit besonders beim Klimaschutz zeigen, was sie leisten kann. Ob sich die Ideen aus der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung in eine Wirtschaftspolitik übersetzen lassen, die das Klima erfolgreich stabilisiert, kann abschließend nur in der Rückschau beurteilt werden. Wir möchten, dass die Parteien trotzdem schon mal ein Zwischenfazit zu der von Ökonom*innen bevorzugten wirtschaftspolitischen Maßnahme gegen den Klimawandel ziehen:
Für die Mehrzahl der Ökonom*innen gilt der Emissionshandel als wichtigstes Instrument zur Einhaltung der Pariser Klimaziele. Wie erklären Sie sich, dass diese Maßnahme bisher nicht so effektiv ist wie gewünscht und welche Schlüsse ziehen Sie daraus für Ihre Klimapolitik?
Die Auswirkungen des Klimawandels machen sich in den gängigen Wirtschaftsindikatoren möglicherweise erst bemerkbar, wenn Kipppunkte überschritten wurden. Während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den vergangenen Jahren kontinuierlich wuchs, stagnierten oder sanken andere Indikatoren, die für das menschliche Wohlergehen ebenso wichtig sind. Unsere nächste Frage ist daher, ob die Parteien bereit wären, die Messung unserer Wirtschaftsleistung als wichtige Steuergröße für die Politik zu reformieren:
Das BIP misst nur die Summe der an Märkten gehandelten Produktion und lässt Aspekte wie Einkommensverteilung, Umweltzustand und Care-Arbeit unberücksichtigt. Wie stehen Sie dazu, dass das BIP zentrale Faktoren für eine gesunde Wirtschaft ausblendet? Setzen Sie sich für erweiterte Indikatoren ein?
Der Begriff von Deutschland als „Exportweltmeister“ zeichnet ein überwiegend positives Bild der deutschen Handelspolitik. Wir haben uns gefragt, ob die Parteien sich auch möglicher negativer Auswirkungen einer solchen Politik auf andere Länder bewusst sind und damit die komplexen Wirkungsbeziehungen in einer global vernetzten Wirtschaft im Blick haben:
Glauben Sie, dass der deutsche Handelsüberschuss insgesamt und insbesondere gegenüber Frankreich und den USA in den letzten zwanzig Jahren einen Einfluss auf die wirtschaftliche und politische Entwicklung und Stabilität unserer Handelspartner hatte und, wenn ja, welchen?
Mit Fehleinschätzungen bezüglich der Vernetzungen unserer global integrierten Wirtschaft hat auch die abschließende Frage zu tun. Wir möchten wissen, ob die Parteien sich vorstellen könnten, durch Wissenschaftsförderung gezielt dazu beizutragen, dass wir eine Wirtschaftswissenschaft entwickeln, die Krisen auch tatsächlich vorhersagen kann:
Die Wirtschaftswissenschaften werden von der Neoklassik dominiert, was zu realen Problemen wie der Fehlbewertung von Lieferketten durch Priorisierung von Effizienz vor Robustheit führt. Wie wollen Sie andere Theorieschulen durch gezielte Förderung stärken und dabei die Freiheit der Wissenschaft wahren?
Die Veröffentlichung der Wahlprüfsteine soll zu einer Betrachtung der Wirtschaftsthemen im Bundestagswahlkampf aus dem Blickwinkel Pluraler Ökonomik anregen, auch wenn diese nicht beantwortet wurden. Mehr über die Themen und Ziele des Netzwerks Plurale Ökonomik könnt ihr in unserer Einführung in die Plurale Ökonomik (https://www.plurale-oekonomik.de/einfuehrung/) nachlesen.