12 Veranstaltungen, über 1000 Besucherinnen und Besucher, 99 Prüfungsleistungen – die Ringvorlesung „Polarschmelze, Polarisierung, Pluralismus“ an der Universität zu Köln im Sommersemester 2017, die eigenständig von Studierenden organisiert wurde, war eine Erfolgsgeschichte. Doch wir müssen größer denken.
Ein Erfahrungseinblick von Andrej Bill.
Die Ringvorlesung „Polarschmelze, Polarisierung, Pluralismus – Ökonomische Fragestellungen unserer Zeit“ aus dem SS17 in Köln ist vor allem deshalb eine Erfolgsgeschichte, weil sich das Organisationsteam durch eine Eigenschaft auszeichnete, die in jungen studentischen Initiativen strukturbedingt oft fehlt, nämlich Beharrlichkeit. Neue KommilitonInnen kommen an die Uni, alte werden fertig und gehen, Klausuren drücken selbst in den Semesterferien aufs Gemüt, Seminare verstopfen auch noch die Wochenenden. Trotz dem allseits bekannten engen Zeitplan eines Wirtschaftsstudiums, tat sich in Köln in stoischer Regelmäßigkeit ein Raum auf, in dem frischer Wind wehte.
Abseits des an der Uni gelehrten Mainstreams, der ökonomischen Monokultur, lasen einige Studierende zusammen mit der Gruppe oikos Köln unter anderem die aktuellen Arbeiten von S. Graupe, Analysen zur Wirtschaftsethik von U. Thielemann oder die Arbeitswerttheorie von K. Marx. Unterstützt durch Lernplattformen wie Exploring Economics schufen wir uns auf diese Weise ein Bewusstsein für die Vielfalt an Denkschulen in der Wirtschaftswissenschaft. Logische Konsequenz aus dem Wissen um die Vielfalt war es für uns, dieses Wissen auch weiteren interessierten KommilitonInnen zugänglich zu machen und somit die Lehre an der Uni sinnvoll weiter zu entwickeln.
Wir schritten zur Tat und organisierten eine Ringvorlesung, bei der wir unter anderem auf Kontakte und Praxistipps aus dem Netzwerk für Plurale Ökonomik zurückgreifen konnten. Plötzlich standen S. Graupe, U. Thielemann oder der die marxsche Arbeitswerttheorie wunderbar vermittelnde M. Bayraktar vor uns in den Hörsälen der Universität zu Köln und präsentierten einem Publikum von insgesamt über 1000 Zuhörenden zusammen mit zahlreichen anderen fortschrittlichen DenkerInnen die Pluralität der Ökonomik. Durch Radiobeiträge, tägliches Flyern und soziale Medien verschafften wir uns Aufmerksamkeit und erreichten auch aufgrund der Qualität der RednerInnen eine enorme Reichweite. Zudem gründeten wir eine Kooperation mit Studierenden der Kölner Journalistenschule, welche die Ringvorlesungsthemen wöchentlich kommentierten.
Aktuell konzipieren Studierende erneut eine Ringvorlesung für das Sommersemester 2018, die allesamt zwar nicht Mitglieder des Orgateams von 2017 waren, aber teilweise an den letztjährigen Lesekreisen teilnahmen, wo sie neben Wissen auch Neugierde und Tatendrang sammelten. Lesekreise erscheinen damit als fruchtbares Fundament, aus dem studentisch organisierte Lehrveranstaltungen resultieren können. Ganz aktuell werden an der Uni Köln zum Beispiel “Die Akkumulation des Kapitals” von R. Luxemburg und “Kapitalismus und Freiheit” von M. Friedman gelesen. Durch diesen gelungenen Generationswechsel und durch die Möglichkeit, die Teilnahme an der Ringvorlesung aus dem SS17 durch Creditpoints im Studium Integrale akkreditieren zu lassen, was ca. 100 Studierende nutzten, nahmen wir konkret Einfluss auf die Lehre an der Uni Köln.
Wir sollten konkrete und organisierte Forderungen stellen
Das ist ein Schritt nach vorne, doch angesichts der Erfolge in Göttingen, Frankfurt oder Lüneburg sind diese Fortschritte natürlich lange nicht befriedigend. Denn leider entstanden weder Seminare zur pluralen Ökonomik, noch konnten angedeutete Zugeständnisse von ProfessorInnen zu einer pluralen oder zumindest geschichtsbewussten Wirtschaftslehre konsequent verfolgt und realisiert werden. Um uns dabei auch an die eigene Nase zu fassen, müssen wir schlussfolgern, dass wir weniger als allgemeine Bittsteller auftreten, sondern konkrete und organisierte Forderungen stellen sollten.
Die Ringvorlesung „Polarschmelze, Polarisierung, Pluralismus – Fragestellungen unserer Zeit“ verbleibt durch Archivierung aller Veranstaltung mit Videos und Zeitungsartikeln weiterhin als Informations- und Aufklärungsplattform erhalten (Link).